Vorwort

Herzlich willkommen in diesem Blog, der sich als breite und offene Plattform jüdisch-christlicher Verständigung versteht.

Bedarf es denn einer solchen Schwerpunktsetzung im online Format? Ich denke, ja. Denn trotz der zahlreichen konfessionellen und interkonfessionellen Organisationen und Initiativen, die sich der Pflege jüdisch-christlicher Beziehungen auf den verschiedensten Ebenen verpflichtet fühlen, stagniert das große ökumenische Projekt der Versöhnung von Christen und Juden.

Dafür sind vor allem zwei Gründe maßgebend: Ein immer noch nicht überwundener, virulenter kirchen-christlicher Antisemitismus und das meist nur mühsam verdeckte missionarische Sendungsbewusstsein der Kirche mit dem erklärten Ziel der Bekehrung der Juden zu Jesus. Beides steht dem Prozess der Versöhnung mit den Juden diametral entgegen; beides zeigt, dass das Judentum nach zweitausend jähriger, von Kirche und Christen mit zu verantwortender Geschichte der Verfolgung und Vernichtung, immer noch nicht in den Köpfen und Herzen vieler Christen rehabilitiert ist.

So bleibt der Vorwurf aufrecht, den der evangelische Theologe Karl Barth einmal so formulierte: „Die Kirche ist den Juden, denen sie alles schuldet, bis zum heutigen Tag alles schuldig geblieben.“ Das ist ein unhaltbarer Zustand, mit dem sich Kirchen und Christen – zwei Generationen nach der Shoah – nicht abfinden dürfen.

Versöhnung mit den Juden ist die zentrale ökumenische und auch spirituelle Herausforderung für das Christentum im 21. Jahrhundert. Dieses Bemühen um Versöhnung mit den Juden ist aber nicht primär eine Angelegenheit von Theologen oder exklusiver Gelehrtenzirkel; Versöhnung kann auch nicht „von oben“ dekretiert werden – vielmehr ist sie ein Anliegen, das aus dem Herzen jedes Christen kommen muss, der sein Christsein ernst nimmt.

Es bedarf eines völlig neuen christlichen Selbstverständnisses, das die jüdischen Wurzeln und Voraussetzungen christlichen Glaubens und das Jude-Sein Jesu nicht mehr verdrängt, sondern in das Credo der Kirche integriert. Die Christen haben dafür nicht noch einmal 2000 Jahre Zeit…

Dieses Diskussions-Forum „jüdisch-christliche Versöhnung“ ist eine Einladung an alle, die sich angesprochen fühlen, an diesem Prozess mitzuwirken…

Maximilian Gottschlich

Donnerstag, 14. März 2013

Schweres Erbe

Unter den zahlreichen Aufgaben, die Benedict XVI. an seinen Nachfolger Franziskus I. weiterreicht, sind drei besonders hervorzuheben:

1. Die völlig visionslos gebliebene Aufgabe einer Re-spiritualisierung Europas - also eine ideenreiche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des "spirtituellen Nomadentums" einerseits und eines neuen, wenn schon nicht militanten, so doch pragmatischen Atheismus andererseits;

2. Die Vertiefung der Beziehungen der katholischen Kirche und des katholischen Christentums zum Judentum: Die Brücken, die Johannes Paul II. zum Judentum schlug, sind unter Benedict XVI in viel zu geringem Ausmaß gefestigt worden. Im Gegenteil: Die Affaire um den Traditionalisten und Holocaustleugner Williamson, die problematische Karfreitagsfürbitte für eine Bekehrung der Juden und der 2006 durch den "Außenminister" des Vaticans an die Adresse Israels gerichtete Vorwurf, der Gazastreifen sei ein großes Konzentrationslager,  haben die Gesprächsbeziehungen zu den Juden schwer belastet. Das "Zeitfenster" für eine nachhaltige Versöhnung mit dem Judentum auf Basis von Wahrheit und Gerechtigkeit, das sich - vom polnischen Papst vorbereitet - gerade für einen deutschen Papst geöffnet hatte, hat sich mit dessen Rücktritt geschlossen;

3. Die weithin restriktive vatikanische Medienpolitik: Angesichts des Umfangs sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche und der Tragweite der Vergehen wäre ein offensiver Umgang mit Medien und (Welt-)öffentlichkeit, ein öffentliches Schuldbekenntnis der Kirche das Gebot der Stunde gewesen. So bleibt der Nachgeschmack doppelter Moral: Die möglichen moralischen Verfehlungen in der Gesellschaft werden nach anderen, strengeren Maßstäben gemessen, als die eigenen. Was dort öffentlich angeprangert wird, wird hier unter den Teppich gekehrt oder hinter verschlopssenen Türen verhandelt.

Soviel ist zumindest vom neuen Papst Franziskus I bekannt: er hat sich in der jüdischen Gemeinde Argentiniens einen guten Namen gemacht. Bleibt zu hoffen, dass das Thema jüdisch-christlicher Verständigung auf der Tagesordnung bleibt ... Schnelle Veränderungen sind auf keiner Ebene zu erwarten - aber wie heißt es doch: Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden...

Donnerstag, 17. Januar 2013

Widerstand gefragt

17.Jänner - die christlichen Kirchen begehen heute den "Tag des Judentums". Das geschieht in der Regel ohne größeres kirchenöffentlichesAufsehen. In einigen Kirchen werden Priester, denen das Thema jüdisch-christlicher Versöhnung ein Anliegen ist, daran erinnern -  in den meisten Pfarren wird dieser Tag wie jeder andere auch absolviert werden. Symptomatisch ist, dass sich in der Bevölkerungsgruppe derjenigen, die sich als "nicht-religiös" bezeichnen ein höherer Anteil für ein stärkeres Engagement der Kirchen in der Frage jüdisch-christlicher Verständigung ausspricht, als in der Gruppe derer, die sich als "religiös" definieren. 1) Das sollte zu denken geben. Es stünde gerade den Christen gut an, den Widerstand gegen den wachsenden Antisemitismus - heute meist im Tarngewand des Antizionismus und Antiisraelismus - zu einem genuin christlichen Anliegen zu machen. Nicht nur als Lippenbekenntnis und nicht nur am "Tag des Judentums"... Um es immer wieder in Erinnerung zu rufen: Christentum ist nicht ohne Judentum - weder historisch, noch spirituell, noch heilsgeschichtlich....


1)vgl.dazu mein Buch: Die große Abneigung. Wie antisemitisch ist Österreich. Kritische Befunde zu einer sozialen Krankheit, Czernin 2012, S 173ff)

Donnerstag, 26. Januar 2012

27.Jänner oder: "Alles Walzer!"

Es gibt nicht viele Gelegenheiten der Millionen Holocaust-Opfer zu gedenken. Der Tag der Befreiung des KZ-Auschwitz-Birkenau, der 27.Jänner ist ein solcher Tag. In Israel steht am Morgen des Jom HaShoah  der Verkehr für einige Mínuten still, Veranstaltungen im ganzen Land dienen dem Gedenken. In Europa tut man sich mit dem Gedenken schon schwerer. Und in Österreich - da wird in der Hofburg aufgespielt und getanzt: beim rechtsextremen Burschenschafts-Ball mit Neo-Nazi-Prominenz aus ganz Europa. Welche Symbolik, welche Ermunterung für die Täter von heute und morgen....
Wo blieb der Protest aus der gesellschaftlichen Mitte, wo der Protest der Bildungsinstitutionen in diesem Land - z.B jener der Universität Wien? Die beiden "kleinen" Theologischen Fakultäten haben sich mit dem überparteilichen  Netzwerk "Jetzt Zeichen setzen" solidarisiert. Es ist mir nicht gelungen, den Dekan der´"großen" Sozialwissenschaftlichen Fakultät davon zu überzeugen, es ihnen gleich zu tun. Im übrigen auch nicht den neuen Vorstand meines eigenen Instituts..
Nur zur Erinnerung: Es war die Indifferenz der deutschen und österreichischen Bevölkerung, die den industriellen Massenmord der europäischen Juden erst möglich machte... "Alles Walzer"!

Samstag, 29. Oktober 2011

Antikapitalismus

Irgendwie sympathisch mutet der Kontrast an zwischen der spröden finanztechnokratischen Begrifflichkeit zur Darstellung der Bewältigung der europäischen (globalen) Finanzkrise ("Hebel") einerseits und den schlichten, antikapitalistischen Parolen der Protestbewegung "Occupy Wall Street" andererseits.
Dennoch kippt dieser Eindruck, wenn sich in manchen Parolen platter Antikapitalismus mit Antisemitismus verbindet und etwa von "jüdischer Verschwörung in Banken und Medien" die Rede ist, oder von "zionistischen Juden, die die großen Banken und die FED kontrollieren" und die "aus den USA ausgewiesen werden sollen".
Christian Ortner machte in einem Presse-Kommentar 1) unlängst darauf aufmerksam:  "Dergleichen linken Antisemitismus überraschend zu finden, wäre freilich ziemlich ahistorisch, um nicht zu sagen naiv. `Der Antisemitismus ist der Antikapitalismus des dummen Kerls`, wußte schon August Bebel, Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie vor mehr als hundert Jahren. Und der kannte seine Genossen. Daran hat sich bis heute nicht allzu viel geändert. `Unterschwellige Judenfeindschaft gibt es bei der politischen Linken schon lange`, diagnostizierte´erst jüngst noch ausgesprochen höflich die in dieser Hinsicht völlig unverdächtige Hamburger `Zeit `"
Bis jetzt bleiben die antisemitisch-antikapitalistischen Parolen auf die USA beschränkt. Man sollte keine Wette eingehen, dass sie nicht wieder dorthin zurtückkehren, von wo sie einst, Ende des 19.Jahrhunderts, ausgegangen sind - nach Europa bzw. Deutschland...

1) Christian Ortner: "Endlich bewiesen: Die Juden sind schuld an der Weltwirtschaftskrise", in: Die Presse, vom 20.10.2011

Freitag, 7. Oktober 2011

Inventur

In aller Welt feiern die Juden Jom Kippur, den großen Versöhnungstag. Die hohen Feiertage haben mit dem jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschanah begonnen und erreichen im Jom Kippur ihren spirituellen Höhepunkt. Die zehn Tage zwischen beiden Festen dienen der persönlichen Bilanz und der Umkehr. In diesen Tagen soll jeder mit seinen Mitmenschen, mit Gott und sich selbst ins Reine kommen.
"Inventur des Herzens" übertítelt die Jüdische Allgemeine in ihrer aktuellen Nummer den lehrreichen Artikel eines Rabbiners zu dieser Thematik.1)

Diese "Inventur des Herzens" dient der Umkehr und damit auch der (Wieder-)Entdeckung unserer inneren Wahrheit - Hauptthema des "Alten" wie des "Neuen" Testaments. Eine gute Gelegenheit also auch für Christen zur "Inventur": geschieht genug, um Versöhnung mit den Juden nach einer zweitausendjährigen blutigen Verfolgungsgeschichte möglich werden zu lassen...?


1) Jüdische Allgemeine Nr.39-40/11 S 44

Donnerstag, 5. Mai 2011

5.Mai

Am 5.Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Mauthausen befreit. Drei Tage später war der 2.Weltkrieg zu Ende. Seit 1997 begeht das offizielle Österreich den 5.Mai als "Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Natzionalsozialismus." Bei der heutigen feierlichen  Gedenk-Veranstaltung im historischen Sitzungssaal des Parlaments erinnerte Ruth Klüger u.a. an die Unbegreiflichkeit des Holocaust - eines Geschehens, das sich jedem Versuch der Erklärung, jedem Versuch der Rekonstruktion eines ursächlichen Zusammenhangs entzieht.

Das ist für die Entwicklung und Vermittlung von Erinnerungskultur eine schwere Hypothek -weil jeder Versuchung rationaler Sinnzuweisung widerstanden werden muß.

Dazu kommen Phänomene der Erinnerungsmüdigkeit: 46% der österreichischen Bevölkerung  stimmen der Meinung zu, "es soll endlich Schluß sein mit dem ständigen Erinneren an die Judenvernichtung im 2.Weltkrieg" . 47% lehnen diese Meinung ab...1)

Gegen das Vergessen läßt sich manches unternehmen - schlimm ist nur das Vergessen des Vergessens....


1) aus: Gottschlich M.:Antisemitische Einstellungsmuster der österr.Bevölkerung (1986/2011).
    Die Veröffentlichung dieser und anderer Daten einer Repräsentativerhebung der österr.Bevölkerung
    erfolgt im Herbst 2011

Sonntag, 1. Mai 2011

Selig

Bis zu den letzten Stunden des Leidens und Sterbens: Kein Papst in der jüngeren Geschichte der Katholischen Kirche war öffentlicher präsent als der heute, am 1.Mai 2011 selig gesprochene Johannes Paul II;  keiner war über alle nationalen und konfessionellen Grenzen hinweg populärer, ja geliebter als er. Spiritualität und Medien passen ja nur bedingt zusammen - Korol Jozef Wojtyla vermochte allerdings das Kunststück, beides miteinander in und durch seine Person zu vereinen: Er verlieh durch seine mediale Präsenz dem öffentlichen Raum eine  spirituelle Dimension und er machte Spiritualität öffentlich.

Der Pontifex maximus war vor allem aber auch ein Brückenbauer zu anderen Religionen - insbesondere zum Judentum. Anlässlich seines Besuchs in Österreich im Juni 1988 forderte er vor Vertretern der jüdischen Gemeinde in Wien: "Der Prozess der vollen Versöhnung zwischen Juden und Christen muss auf allen Ebenen der Beziehungen zwischen unseren Gemeinschaften mit aller Kraft weitergeführt werden."
Und wenig später betonte er vor der Jüdischen Gemeinde in Strassburg: "Ich wiederhole mit Ihnen auf das Entschiedenste die Verurteilung jedes Antisemitismus und Rassismus, die mit den Grundsätzen des Christentums unvereinbar sind".

Sein Credo, dass die jüdische Religion für das Christentum "nicht etwas Äußerliches" sei, sondern "zum Inneren" der christlichen Religion gehört - wie er bei seinem Besuch in der Synagoge in Rom 1986 sagte - dieses Credo des Seligen wartet freilich noch auf Verwirklichung.
Er hat die Brücken über historische Abgründe hinweg geschlagen - sein Vermächtnis ist es, dass die Christen auch über diese Brücken gehen...  

Dienstag, 5. April 2011

Pflichterfüllung

In einer aktuellen Serie erinnert der SPIEGEL an die Entführung Adolf Eichmanns aus der argentinischen Hauptsatdt  Buenos Aires durch den israelischen Geheimdienst 1960 und den darauf folgenden Prozess gegen den "Cheflogistiker des Holocaust" in Jerusalem vor 50 Jahren.
Eichmann gelang es mithilfe alter NS-Seilschaften und katholischer Geistlicher - allen voran des österreichischen Bischofs und NS-Sympathiesanten Alois Hudal - über Italien nach Argentinien zu flüchten. Dort - inmitten früherer SS-Kameraden, die alle nach dem Krieg ihre Flucht nach Argentinien organisieren konnten, prahlte Eichmann mit seinen Verbrechen:  "Ich war kein normaler Befehlsempfänger, dann wäre ich ein Trottel gewesen, sondern ich habe mitgedacht, ich war ein Idealist" zitiert der SPIEGEL aus Tonbandprotokollen, die im Bundesarchiv in Koblenz liegen. 1)
Der SPIEGEL: "Den Bändern...ist kein Wort der Reue zu entnehmen. Nur einen Fehler wollte sich Eichmann zurechnen lassen: dass nicht alle Juden ermordet worden seien. ´Wir haben unsere Arbeit nicht richtig getan, da wäre mehr drin gewesen`. 2)

Bei sei seinen Verhören im Mai 1961 rechtfertigte Eichmann sein Verständnis von Pflichterfüllung  als "..ein einstiger Befehlsempfänger, der getreu dem damaligen Diensteid zu handeln hatte und die erhaltenen Befehle und Weisungen durchzuführen hatte" mit dem Verweis auf die Pflichen-Ethik Immanuel Kants: "Nach dieser Forderung habe ich mein Leben ausgerichtet..." 3)

Prozess-Beobachterin Hannah Arendt wird später im Rückblick von der "empörenden Dummheit" Eichmanns sprechen. Für die logistische Planung und systematische Durchführung des Genozids an den europäischen Juden war Eichmann jedenfalls nicht zu dumm...


1) Der SPIEGEL13/2011, S 42
2) aaO
3) Jochen von Lang, Das Eichmann-Protokoll, Severin und Siedler (o.J.) S 259 f.

Sonntag, 27. März 2011

Kehrtwende

Jenen, die angesichts der Reaktorkatastrophe von Fukushima vernünftiger Weise für einen sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie sind - weil die Atomtechnologie allen Beschwichtigungsmanövern zum Trotz eben nicht kontrollierbar ist - wird u.a auch Inkonsequenz vorgeworfen. So in diesen Tagen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ein dreimonatiges Moratorium für alte Kernkraftwerke verordnete. Die unmittelbare Folge dieser u.a. von Merkels politischem Ziehvater, Altkanzler H.Kohl heftig kritiserten "rasanten Kehrtwende" in der deutschen Energie-bzw.Atompolitik:  Von 17 deutschen Atommeilern werden 7 abgeschaltet.
Aber was bedeutet hier schon der Vorwurf der Inkonsequenz? So als wäre das Festhalten am offenkundigen Irrtum eine Tugend - gar eine politische Tugend. Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hin oder her...
Dass sich die EU mit sog. Stresstests für europäische AKWs nur auf ein Minimalprogramm einigte, stand zu erwarten. Inzwischen demonstrierten Hunderttausende in deutschen Städten für einen Atomstop. Wir haben nicht nur ein technologisches, sondern vor allem ein gesellschaftspolitisches und moralisches Problem.
Die durch Jahrzehnte suggerierte Gleichung: vermehrtes Glück durch steigenden Wohlstand durch mehr Verbrauch durch  billige Energie = Atomstrom war und ist eine Fiktion. Eine tödliche Fiktion, wie sich angesichts der apokalyptischen Szenen aus Japan zeigt. Spätestens seit dem Supergau in Tschernobyl hätte es ein Umdenken, eine radikale Abkehr von diesem Wohlstandsmodell geben müssen. Das Gegenteil ist geschehen...

In diesem Zusammenhang mahnt der deutsche Physiker und Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber in einem Spiegel-Interview: "Wir müssen ein für alle Mal beschließen, unseren Nachkommen mehr als nur Atomgefahren und Klimawandel zu hinterlassen. Das bedeutet Mitgefühl über Raum und Zeit hinweg...1)


1)Der Spiegel, Nr.12 vom 21.3.11, S 28

Montag, 14. März 2011

Nichtverhältnis

Auf der Suche "nach Weisheit und Staatsräson für ein Weltreich" (FAZ) entdecken chinesische Studenten - etwa Doktoranden, die in den USA studieren - Klassiker politischer Theorie des Abendlandes. Sie unterscheiden sich darin, so ein trefflicher Kommentar 1)  in der FAZ, von hiesigen Studenten (und vielen ihrer Professoren), die, so der Autor, ein "spannungsloses Nichtverhältnis zur Theorie (haben)".

Wer die geistige Situation der Universitäten über Jahrzehnte hindurch hautnah verfolgt,  kann ihm nur Recht geben. Bei uns steht "die Anstrengung des Begreifens selbst nicht hoch im Kurs". Und es fehlt auch am Bedürfnis vieler Studierender "sich in Begriffswelten einzuarbeiten..." (sieht man vielleicht von Spezialübungen der Fachphilosophie ab). Denn, so der Kommentar weiter: "Die Universität erzieht sehr dazu, das eigene Fortkommen in den Mittelpunkt des Studiums zu stellen."  Berufskarriere geht vor, grundsätzliches Nachdenken bleibt auf der Strecke - es wird weder geschätzt noch gefördert. Und: "Das Bachelorstudium, das dem eigensinnigen ausufernden Lesen nicht günstig ist, verstärkt das noch."

Vielleicht sollte man sich gerade am heutigen Festtag, dem "Dies academicus" der Universität Wien, mit diesen Zusammenhängen der inneren, geistigen Befindlichkeit der "Hohen Schulen" befassen...

PS: Und vielleicht stellt sich dann mit Blick auf die Erdbebenkatastrophe in Japan und dem mehrfach drohenden Supergau atomarer Verseuchung auch die Frage nach den Grundlagen unserers zivilisatorischen Fortschritts neu....

1) Jürgen Kaube in: FAZ vom 4.3.2011, S 31